Da stehen sie nun in den Regalen, die ersten deutschen Erdbeeren, die nun auch schon besser schmecken als so manche importierte Flugware.
Und er hat sie offenbar wachgeküsst: Köcheverein-Mitglied Axel Vetter, Konditormeister und Inhaber des Café's Vetter in der Marburger Oberstadt.
Wie er OP-Redakteurin Marie Lisa Schulz Anfang des Monates im Interview verriet, kann man sich den Sommer auch einfach herbei backen. Offenbar hat es funktioniert, die letzten heißen Tage beweisen es!
Bravo Axel!
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Sommerboten im Winterschlaf
Eigentlich steht ihm gerade der Sinn mehr nach Schokotorte statt nach leichtem Erdbeerkuchen. Bei Regen und frostigen Temperaturen fällt es eben schwer, sich die warme Jahreszeit
herbeizubacken. So ein paar Erdbeeren machen eben noch keinen Sommer. Aber es ist fast Anfang Juni. Die Kunden fragen nach der roten Frucht. Schlechtwetterfront hin oder her. Axel Vetter
zuckt verlegen mit den Schultern – dann muss eben ein Kompromiss her. Sommerliche Erdbeeren auf winterlichem Mandelmürbeteig-Törtchen. Mit routinierten Bewegungen beginnt der 35-Jährige das
Grün von den Erdbeeren zu schneiden. „Wichtig ist, dass Erdbeeren nicht zu früh geerntet werden. Also keine grünen Stellen haben. Nachreifen wirkt sich bei Erdbeeren nicht unbedingt positiv
auf den Geschmack aus.“ Zu früh geerntet? Gerade kann das wohl am allerwenigsten passieren. Denn noch sind die Erdbeeren aus der Region Wochen davon entfernt, überhaupt in den Verkauf zu
kommen. „Die hier stammen auch nicht aus Deutschland“, sagt er mit einem entschuldigenden Lächeln. Aber der Back-Termin für die Serie „Besser-Esser“ stand schon länger fest als die
Schlecht-Wetter-Front. „Eigentlich warte ich immer auf deutsche Erdbeeren. Besser noch auf Erdbeeren aus der Region. Die sind geschmacklich einfach am besten.“ Erdbeeren, die hingegen schon
einen weiten Transportweg hinter sich haben, seien zwar optisch oftmals noch ansprechend, geschmacklich aber eher ein Abenteuer. „Die sehen dann aus wie prall gefüllte Wasserbömbchen –
schmecken aber nicht“, sagt er.
Helfried Eden, Betriebsleiter des Hofgutes Dagobertshausen, hätte Axel Vetter gern die ersten Erdbeeren aus regionalem Anbau zur Verfügung gestellt. Aber das schlechte Wetter hat auch ihm
einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Sorge um Erdbeer-Bestand: Sonne könnte es richten
„Dass wir Ende Mai noch keine Erdbeeren hatten – daran kann ich mich nicht erinnern“, sagt er nachdenklich. „Meine größte Sorge ist, dass die Erdbeer-Bestände nicht gesund bleiben, da sie durchgehend feucht sind.“ Eden pflanzt gleich mehrere Sorten auf den Feldern an. „Wir haben ein breites Sortenspektrum, um die Ernte möglichst weit auseinanderzuziehen“, erklärt er. „Nächste Woche werden wir wohl die ersten der frühen Sorte ernten“, zeigt er sich zuversichtlich. „Die frühe Sorte Erdbeeren haben wir schon in den Wintermonaten mit einem speziellen Fließ abgedeckt. Das ist wasser- und luftdurchlässig, hält aber die Wärme am Boden.“ Ein paar Tage, manchmal ein paar Wochen gibt ihm das Fließ Vorsprung. „Nächste Woche werden die ersten reif sein.
Ich gehe sowieso davon aus, dass es aufhört zu regnen – dann wird es heiß. Und steigende Temperaturen sind gut für die Erdbeeren. Aber das ist nur meine persönliche Prognose“, zeigt sich
Helfried Eden zuversichtlich.
Und auch die Inhaberin von Kochs Erdbeeranlage in Niederasphe, Marianne Koch, will sich noch nicht dem kollektiven Wetter-Gejammer anschließen: „Die Erdbeeren sind in diesem Jahr später dran.
Sie stehen gerade voll in der Blüte. Was im Vorjahr zu trocken war, war in diesem Jahr zu nass und zu kalt. Was aber aus der Ernte wird, das können wir erst sagen, wenn die Ernte vorbei ist“,
sagt sie nüchtern. Mitte Juni, so hofft sie, können die ersten Erdbeeren geerntet werden. Irgendwie hat die verlängerte Wartezeit doch etwas Gutes: „Die Vorfreude ist dann länger
ungebrochen“, scherzt Marianne Koch.
Und damit die Vorfreude nicht in Ratlosigkeit endet, wie die frisch geernteten Erdbeeren nun weiterverarbeitet werden könnten, öffnet Axel Vetter die Backstube. Seit vier Generationen backt
die Familie Vetter hier ihre Kuchen und Torten. Kreiert Pralinen und Leckereien. „Erdbeeren lassen sich mit allem kombinieren“, verrät Axel Vetter. Süß und scharf – ein besonderer Genuss, wie
der dreifache Familienvater findet. Erdbeer-Chilli-Trüffel, Erdbeer-Limetten-Eis. Diese Kombinationen kommen an bei den Kunden. Vor allem bei den Jüngeren. Mit routinierten Handgriffen macht
sich Vetter an die Arbeit. Gibt die Zutaten für den Mandelmürbeteig in eine große Schüssel. Mit blinder Selbstverständlichkeit. Kein Wunder. Jeden Tag backt Vetter gemeinsam mit seinen zwei
Gesellen und seinen zwei Auszubildenden bis zu 25 verschiedene Kuchen und Torten. Kleine Erdbeertörtchen sind da keine Herausforderung mehr. Trotzdem kein Grund, nachlässig zu arbeiten.
Mit einem kleinen Hand-Bunsenbrenner geht Vetter ans Werk. Erhitzt die Schüssel, in der sich der Teig dreht: „Die Butter ist zu hart“, sagt er achselzuckend. Mit Baumarktwerkzeug gegen
Kühlschrankkälte. Warum denn auch nicht.
Küche trifft Baumarkt: Mit Flammen Butter erwärmen
Teig geknetet, Förmchen ausgelegt. Fehlt noch die Vanille-Marzipan-Füllung. Wieder schmeißt er die Küchenmaschine an. Wieder kneten die Haken sich durch den Teig. Wieder kommt der Bunsenbrenner zum Einsatz. Füllung auftragen – und ab in den Ofen. Zeit, den Pudding anzurühren. Pudding? Bei diesem Wörtchen rümpft Axel Vetter die Nase. Konditoren kochen keinen Pudding. Sie zaubern eine Vanille-Creme – aber doch keinen ordinären Pudding. Aber für Vetter ist die süße Masse an diesem Tag ohnehin nur Mittel zum Zweck. Schmackhafte Klebemasse für die Erdbeeren. Ein Beiwerk, das den Geschmack des Mandelmürbeteiges nicht übertreffen, dem Erdbeer-Törtchen wohl aber eine weitere geschmackliche Komponente verleihen kann. Der Teig inklusive Füllung ist mittlerweile goldbraun gebacken. Axel Vetter beginnt, das kleine Küchlein mit Erdbeeren zu belegen. Drapiert mit ruhiger Hand. Seine Stapeltechnik gewährleistet das Maximum an Frucht auf dem kleinen Törtchen. Zufrieden schaut der Konditormeister auf sein Werk. Verflogen die Lust auf Nougattorte – vergessen das Schmuddelwetter vor der Tür. Sich den Sommer herbeisehnen – das kann jeder. Den Sommer herbeibacken – das ist die wahre Herausforderung.
Das Rezept |
Zutaten für den Mandelmürbeteig
Füllung:
Außerdem
Zubereitung |
Erdbeer-Fakten:
Nussige Frucht
- Wussten Sie, dass die Erdbeere eigentlich eine Nuss ist? Eine „Sammelnussfrucht“, um genauer zu sein. Die Erdbeere ist keine „Beere“ im biologischen Sinne. Beeren entstehen aus einem Fruchtknoten heraus. Bei der Erdbeere ist dies jedoch nicht der Fall. Sie entsteht aus dem Blütenboden, der sich verdickt. Die gelben Samen, die auf der Frucht zu sehen sind, sind in diesem Fall tatsächlich winzige Nüsse. Da es gleich so viele sind, wird von einer Sonderform der Nussfrucht – eben eine „Sammelnussfrucht“ gesprochen. Bei normalen Nüssen ist immer nur eine Nussfrucht von der Schale umschlossen.
Vitaminbombe
- Erdbeeren zeichnen sich durch einen besonders hohen Vitamin C-Gehalt aus. Auf 100 Gramm entfallen 65 Milligramm an Vitamin C. Außerdem kommen auf 100 Gramm Erdbeeren unter anderem 8 Mikrogramm Vitamin A, 54 Mikrogramm Vitamin B2 und 13 Mikrogramm Vitamin K.
von Marie Lisa Schulz