Die Besser Esser
Essen ist im stressigen Alltag oftmals nur eines: Nebensache. Die Serie „Besser Esser“, mit der die OP in den kommenden Monaten einen Themen-Schwerpunkt setzt, steht ganz im Zeichen eines bewussten und genussvollen Umgangs mit Ernährung.
In der neuen OP-Serie "Besser Esser" erklärt Küchenmeister und 2. Vorsitzender Ulrich Hahn die richtige Zubereitung von Spargel.
Infos über die Serie und ältere Ausgaben:
http://www.op-marburg.de/OP-extra/Serien/Besser-Esser
Schäl mich, iss mich, genieß mich
Marburg. Spargel und Kaffee, Rosenkohl und Oliven - als Kind bilden genau diese Produkte die magische, schier unüberwindbare Grenze zur Erwachsenenwelt. Nie, so die feste Überzeugung damals, werde der bittere, sehr eigene Geschmack dieser Produkte mit Wörtern wie „Genuss“ oder Vorfreude in Verbindung gesetzt werden.
Und dann, plötzlich, schmeckt er. Der Spargel. Der Kaffee. Der Rosenkohl. Und die Oliven sowieso. So fühlt es sich also an, erwachsen zu sein. Man wird zum Spargel-Gourmet. „Für Spargel gibt es kein vergleichbares Aroma. Das steht völlig für sich allein. Man muss sich erst herantasten. Rotwein schmeckt ja auch erst mit 40 aufwärts“, erklärt Ulrich Hahn, 2. Vorsitzender der Vereinigung der Köche Marburgs. Für ihn steht fest: „Die Spargelzeit bildet den Höhepunkt des kulinarischen Küchenjahres.“
Fakten zum Spargel |
Vitaminbombe
Das riecht!
Silber ist tabu |
Während er spricht, nimmt er eine der weißen Stangen in die Hand. Beginnt zu schälen. Seine Augen verfolgen die flüssigen Bewegungen seiner Hand. Jede Spargelstange wird noch einmal überprüft. Das Schälen, erklärt Ulrich Hahn, sei das A und O. „Wer einmal auf einem Stück Spargelholz herum gekaut hat, isst lange keinen Spargel mehr. Und das nur, weil er von einem Stümper geschält wurde.“
Seine Devise lautet: lieber zu viel wegschälen als zu wenig.“ Hahn nimmt das Schälen selbst in die Hand. Zu groß die Verantwortung, zu klein die Toleranzgrenze, wenn es um Schäl-Reste geht. „Die Zubereitung des Spargels ist auch für Anfänger kein Problem. Wenn es scheitert, dann nur an der Schälerei. Der tollste Spargel ist versaut, wenn er nicht perfekt verarbeitet ist“, unterstreicht der Küchenchef. In der Gastronomie, erzählt Hahn weiter, sei es sogar üblich, dass der Chefkoch die sonst eher niederen Schälarbeiten des weißen Goldes übernehme. Ehrensache. 30 Kilo pro Abend. Bis die Finger bluten.
Richtig Spargel schälen: Eine Wissenschaft für sich |
Spargel wird grundsätzlich von oben nach unten geschält, vom Kopf zu den Schnittenden. Dabei werden die Spargelspitzen ausgelassen. Beim Grünspargel, der oberhalb der Erde wächst, muss nur die untere Hälfte geschält werden. Übermäßige Sparsamkeit? Fehl am Platze. Spargel darf gerne dünn, muss aber immer gleichmäßig geschält werden. Stehen bleibende Schale kann den Spargelgenuss verderben. Erst nach dem Schälen sollten die Spargelenden abgeschnitten werden. Bei frischen Spargel reichen ein bis zwei Zentimeter, ist der Spargel schon älter, muss weiter oberhalb abgeschnitten werden. Durch das verspätete Abschneiden der Spargelenden prüfen Sie gleichzeitig, wie sorgfältig Sie vorher geschält haben. Es gilt die Faustregel: Schälverlust bei Spargel der Extra-Klasse (mindestens zwölf Millimeter Durchmesser): 25 bis 28 Prozent, Schälverlust bei Spargel der Handels-Klasse I (mindestens zehn Millimeter Durchmesser): 28 bis 30 Prozent, Schälverlust bei Spargel der Handels-Klasse II (mindestens acht Millimeter Durchmesser): 30 bis 35 Prozent. Koch Ulrich Hahn: „Jeder günstige Spargelschäler ist genau so gut wie ein teurer.“ Es kommt eben doch auf die Schäl-Technik an. Wichtig: Schale und Spargelenden nicht wegschmeißen. Daraus kann, fast nebenbei, eine Grundlage für schmackhafte Suppen und Soßen gekocht werden. |
Ulrich Hahn weiß aber auch: nicht nur das Schälen, sondern auch die Qualität des Spargels ist entscheidend. Für ihn gilt besonders bei Spargel die Faustregel: je frischer desto besser. Kaufen, kochen, verzehren. Keine zusätzlichen Lagerungszeiten schaffen. „Es sei denn, man wickelt den Spargel in ein tropfnasses Küchentuch und lagert ihn bei 0 Grad. Dann ist der Alterungsprozess nahezu gestoppt. Der Spargel bleibt frisch.“
Finger weg von Spargel, dessen Enden in einer Plastikkappe stecken, rät der Küchenchef. „Das ist ein Trauerspiel. Auf den ersten Blick ist dieser Spargel oft günstiger. Aber unter dem Strich zahlt man mehr.“ Wieso? Wieder holt Ulrich Hahn tief Luft. Wieder deutet er auf die Spargelstange in seiner Hand. Die Plastikkappen werden häufig eingesetzt, um die bereits angetrockneten Enden zu verbergen. Mehr Schäl-Abfall entsteht. Weniger Spargel landet im Topf.
Der Quietschtest beweist Frische
Aber wie lässt sich nun feststellen, dass die Ware frisch ist? Küchenchef Hahn empfiehlt den Quietschtest. Einfach. Schnell. Unkompliziert. Wenn die Stangen aneinander gerieben werden, dann quietschen sie. Zumindest dann, wenn sie frisch sind. Die Schnittstellen sollten außerdem hell und saftig sein. Bei leichtem Druck sollte zudem aus den frischen Stangen Saft austreten.
Hahn selbst hat bei der Auswahl seines Spargels auf absolute Frische geachtet. Es geht zur Weiterverarbeitung - und prompt beginnen seine Augen zu leuchten. Jetzt ist er da, der Moment, in dem er beweisen kann: Kochen ist Kunst. Bei Spargel, so sagt er, sei der Kreativität keine Grenze gesetzt. Ob nun lauwarmer Spargelsalat, Spargelrisotto oder Spargel in einer Schinken-Crepes-Umhüllung. Hauptsache es schmeckt. Und selbst vor Spargel-Eis schreckt der Koch nicht zurück. „Ich habe das einmal gegessen. Gewöhnungsbedürftig. Aber einzigartig“, lautet sein Urteil.
Einen Tipp hat er trotzdem für alle Experimentier-Könige: Immer genug Zucker beim Kochen verwenden. Das entzieht dem Spargel den bitteren Geschmack. Was sagt eigentlich der Kochprofi zum Klassiker? Spargel, umhüllt von Kochschinken, serviert mit Mayo. „Auf einem Herrenabend geht das immer!“ Spargel kann eben alles sein. Raffiniert und rustikal. In erster Linie ist es aber eines: Frühling auf dem Teller, Frühling im Bauch.
Das Rezept von Ulrich Hahn: Spargel-Suppe mit Kokosmilch und Lachs-Ceviches |
Zutaten:
Zubereitung: Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden. Lachsfilet fein würfeln. Frühlingszwiebeln und Lachs mit Limettensaft, Chili-Flocken und einer Prise Salz mischen und abgedeckt 20 Minuten ziehen lassen. Spargelstangen schälen und in zwei Zentimeter lange Stücke (schräg) schneiden. Ingwer ebenfalls schälen. Spargel zusammen mit dem Ingwer und Zucker in Salzwasser garen. Zwei Teelöffel Butter erhitzen, Curry-Pulver und Mehl zugeben und bei Hitze und ständigem Rühren kurz anschwitzen. Spargelwasser und Kokosmilch zugießen, aufkochen und bei milder Hitze einige Minuten köcheln lassen. Suppe je nach Geschmack würzen und die vorher gegarten Spargelstücke in die heiße Suppe geben und genießen. |
Die Spargel-Klassen
Spargel gibt es in den drei EU-Handelsklassen Extra, I und II zu kaufen. Bei der Klassen-Einteilung spielen der Durchmesser und die Eigenschaften des Spargels eine Rolle. Je größer der Durchmesser, je gerader die Form, je fester geschlossen die Spargelköpfe, je weniger holzig, desto besser der Spargel. Weißer Spargel der Extraklasse muss etwa einen Durchmesser von mindestens 12 mm vorweisen, gerade, aber nicht holzig sein. Ulrich Hahn kauft für den Privatverzehr häufig frischen aber schief gewachsenen Spargel. „Der ist günstiger, schmeckt aber genau so gut“, sagt er. Trotzdem muss ein größerer Schälaufwand eingerechnet werden.
von Marie Lisa Schulz